Kirchentalente

„Wachsam sein und hinschauen“

Was genau ist sexualisierte Gewalt, wie wird sie erkannt und wie können Kinder und Jugendliche davor geschützt werden? Mit diesem Fragenkomplex befasste sich ein Vortragsabend der Katholischen Kirchengemeinde in Senden.

Saßen bei der Informationsveranstaltung auf dem Podium (v.l.): die Präventionsbeauftragten Svenja Bäumer und Beate Meintrup sowie Pfarrer Dr. Oliver Rothe. Foto: Lena Unterhalt

„Man merkt, dass es noch viele Fragen gibt.“ Mit diesen Worten fasste Pfarrer Dr. Oliver Rothe die Stimmung des Publikums am Ende des Vortragsabends zum Thema Missbrauchsprävention in der Katholischen Kirche zusammen. Unter dem Titel „Augen auf – hinsehen und schützen“ erklärten die Präventionsbeauftragten des Bistums Münster, Beate Meintrup und Svenja Bäumer, was genau sexualisierte Gewalt ist, wie man sie erkennt und wie Kinder und Jugendliche davor geschützt werden können.

„In allen Institutionen sind Kinder und erleben es“, so Beate Meintrup. Diese Übergriffe erstreckten sich von (auch unbeabsichtigten) Grenzüberschreitungen bis hin zu sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung.

Ihre Kollegin Svenja Bäumer erklärte, dass die Täterinnen und Täter sich in der Kirche, wie auch in anderen Institutionen, oft besonders engagiert und den Kindern gegenüber empathisch zeigen. Sie seien in der Regel weder die Fremden, vor denen Eltern Angst hätten, noch Monster, die man man von außen leicht erkennen könne. „Es sind Menschen wie du und ich“, stellte Meintrup fest.

Zehnfach höhere Dunkelziffer

Im Zeitraum von 1945 bis 2020 waren im Bistum Münster 610 Kinder Opfer sexualisierter Gewalt, so das Ergebnis einer Studie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Von einer zehnfach höheren Dunkelziffer sei auszugehen.

Die Sendenerinnen und Sendener interessierte neben der Frage, wie sie sich selbst verhalten können, die Verantwortung der Kirche. Wie geht sie mit der Situation um? Was geschieht mit den Tätern? Häufig habe man den Eindruck, sie blieben unbestraft.

Pfarrer Dr. Oliver Rothe erklärte, dass viele Taten schon lange verjährt seien, bevor sie bekannt würden. „Der Priester geht genau so in den Knast wie der Familienvater.“ Die Kirche selbst könne einem Täter zum Beispiel das Priesteramt entziehen. Für ihn sei das (seitens der Kirche) „das Schlimmste, was passieren kann“, so Rothe.

Eine Kultur des Hinschauens schaffen

Problematisch sei, dass es im Umgang mit sexualisierter Gewalt noch so viele Tabus gebe. Scham und Schuldgefühle hielten die Opfer davon ab, offen über das Erlebte zu sprechen und die Täter anzuzeigen. Um sexualisierte Gewalt daher schon präventiv anzugehen, brauche es eine Kultur des Hinschauens, so die Referentinnen. Dazu müssten die Erwachsenen wissen, wohin sie schauen.

Präventionsarbeit sei in erster Linie Erwachsenenbildung. Erwachsene würden gegenüber plötzlichen Verhaltensauffälligkeiten und „Symptomen“ sexualisierter Gewalt sensibilisiert und angehalten, die Kinder selbst stets nach ihrem persönlichen Empfinden zu fragen. „Wichtig ist, dass wir alle wachsam sind und nicht schweigen“, fasste Beate Meintrup zusammen.

Das Institutionelle Schutzkonzept der Gemeinde St. Laurentius samt Risikoanalyse kann auf der Homepage www.laurentius-senden.de heruntergeladen werden.

(Westfälische Nachrichten - Senden)